Innovative Methode reinigt Abwässer aus dem Weinbau

Im Reaktor des PHOTOPUR-Prototyps vollzieht sich die photokatalytische Behandlung des Abwassers. Das Abwasser fließt hier über eine spezielle Fläche mit Titandioxidüberzug und wird gleichzeitig mit UV-Licht bestrahlt. Durch die damit ausgelöste photochemische Reaktion werden Sauerstoffradikale gebildet, die mit den Schadstoffen im Wasser reagieren und diese zersetzen. Foto: Paul van Schie

Wie können Abwässer, die beim Reinigen von Pflanzenschutzgeräten entstehen, nachhaltig sowie kosten- und abbaueffizient aufgereinigt werden? Dieser Frage ist das Wissenschaftskonsortium „PHOTOPUR“ unter der Leitung des Instituts für Umweltwissenschaften iES Landau auf den Grund gegangen. Das Ergebnis der dreijährigen Forschungsarbeit ist ein Prototyp, der die Photokatalyse als Methode einsetzt. Jetzt soll der Prototyp zur Marktreife entwickelt werden.

Mildere Temperaturen sind gut für einen edlen Tropfen. Sie beflügeln aber auch den Schädlings- und Pilzbefall der Reben, der ohne Pflanzenschutzmittel nicht zu verhindern ist. Gereinigt werden sollten die Pflanzenschutzgeräte gemäß des Gesetzgebers nach dem Einsatz direkt auf der Anwendungsfläche oder an einem speziellen Reinigungsplatz wie ihn beispielsweise das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) in Neustadt an der Weinstraße anbietet. Das Waschwasser muss auf dem Reinigungsplatz außerdem aufgefangen und aufgereinigt werden. „Es kommt dennoch vor, dass solche Abwässer unbeabsichtigt über Kanalanschlüsse in kommunale Kläranlagen gelangen“, erklären Projektleiter Dr. Frank Seitz und Dr. Ricki Rosenfeldt. Das Problem: Kläranlagen können die Pflanzenschutzmittel nicht abbauen. „Pestizidrückstände gelangen somit in den Kläranlagenvorfluter und weiter in die angeschlossenen Oberflächengewässer“, so Rosenfeldt weiter. Das kann sich negativ auf die Wasserqualität und ökologischen Prozesse wie den Laubabbauprozess haben. Ist dies der Fall, leidet das Ökosystem im Gewässer. Im Falllaub gebunden ist Energie. Damit diese den Gewässerbewohnern zugutekommen kann, übernimmt der Bachflohkrebs das Zerkleinern der Laubmaterials und macht es somit bereit für die weitere Verarbeitung durch Pilze und Bakterien. Steigt die Konzentration an Pestiziden im Gewässer, wirkt sich das negativ auf die Aktivität der Bachflohkrebse aus. Deren Fraßrate sinkt, sie reproduzieren sich weniger und ihr Überleben ist bedroht. Dadurch können der Nährstoffkreislauf und die Energierückgewinnung im Gewässer beeinträchtigt werden.

Abwasserreinigung durch Photokatalyse  

Mit dem Prototyp hat das Projekt „PHOTOPUR – Photokatalytische Reinigung von pestizidbelastetem Wasser aus dem Weinbau“ für Winzer eine Möglichkeit entwickelt, das bei der Reinigung der Pflanzenschutzgeräte anfallende Waschwasser einfach, schnell und umweltfreundlich aufzubereiten. Um die Pflanzenschutzmittel aus dem Abwasser zu entfernen oder deren Konzentration zumindest zu reduzieren, setzen die Wissenschaftler auf die Photokatalyse. Dabei wird durch UV-Licht eine chemische Reaktion auf der Oberfläche des Katalysators ausgelöst und Sauerstoffradikale freigesetzt. Dieser Prozess mineralisiert in der Nähe befindliche organische Verbindungen, wie synthetisch erzeugte Pflanzenschutzmittel, und macht sie dadurch unschädlich. Übrig bleiben unbedenkliche Abbauprodukte wie Wasser und Kohlenstoffdioxid. 

Im Labor haben die Wissenschaftler anhand verschiedener Pflanzenschutzmittel untersucht, wie wirksam diese sich mit der Photokatalyse abbauen lassen. Als Photokatalysator kam Titandioxid zum Einsatz. Die Forscher untersuchten, ob und wie Pflanzenschutzmittel mit dieser Methode abgebaut werden konnten und ob sie nach der UV-Behandlung noch schädlich für Wasserflöhe und Bachflohkrebsen waren. „Die Experimente waren sehr erfolgreich“, unterstreicht Seitz. Je nach Behandlungsdauer und der Beschaffenheit des Abwassers, wie Konzentration an Pflanzenschutzmittel oder natürlichen organischen Substanzen, wurden die Pflanzenschutzmittel unterschiedlich stark abgebaut und dabei größtenteils entgiftet. „Das Abwasser ist einfacher zu behandeln ohne weitere Trübstoffe wie Sand oder anderes organisches Material“ so Seitz. Daher besitzt der Prototyp einen Vorfilter. Damit wird verhindert, dass Sand oder ähnliches in den Reaktor gelangen und die Wirksamkeit des Systems reduzieren. 

Die beiden Landauer Umweltwissenschaftler Dr. Frank Seitz (links) und Dr. Ricki Rosenfeldt mit dem Photokatalysator-Prototypen. Über den an der Vorderseite angebrachten Reaktor, in dem die Photokatalyse abläuft, fließt das Abwasser zurück in die Abwasserspeicher. Dieser Vorgang wiederholt sich so oft, bis das Wasser komplett gereinigt ist. Auf dem Trägerrahmen des Prototypen befestigt sind die Photovoltaikmodule, die das Gerät energieautark betreiben und auch die Akkus laden. Foto: Paul van Schie

Für die Aufreinigung mit dem Prototyp wird das aufgefangene Waschwasser in einen Tank am Gerät gefüllt. Von dort aus zirkuliert es so lange langsam an dem Photokatalysator des Reaktors vorbei, bis es gereinigt ist. Untersucht haben die Forscher den Vorgang unter anderem mit Abwasser, das das Anti-Pilzmittel Myclobutanil enthielt. Bereits nach 24 Stunden Behandlung im Photokatalysator waren 75 Prozent der Fungizid-Verunreinigung abgebaut.

Als Photokatalysator kommt Titandioxid zum Einsatz, das in einem zeit- und materialintensiven chemischen Prozess auf das (halb-)metallbasierte Trägermaterial Siliziumkarbid oder Aluminiumoxid aufgetragen wird. „Die Substanz ist schwammartig, um die Oberfläche möglichst groß für die chemische Reaktion zwischen Abwasser, UV-Licht und dem Titandioxid zu halten“, so Seitz. Wissenschaftliche Experimente der Projektpartner haben gezeigt, dass diese anorganische Verbindung die untersuchten Pflanzenschutzmittel besser abbauen und deren schädliche Wirkung reduzieren konnte als andere Photokatalysatoren. „Mit dem ausgewählten Trägermaterial, das sich in unseren Studien verglichen mit anderen Trägermedien im Hinblick auf Haltbarkeit und verfügbare Gesamtoberfläche durchgesetzt hat, haben wir die bestmögliche Kombination von Materialien im Einsatz“, so Rosenfeldt. 

Erprobt haben die Projektpartner das entwickelte Gerät vorrangig mit Fungiziden, die häufig im Weinbau zum Einsatz kommen und im Vorfluter einer Kläranlage in der Region nachgewiesen wurden. Aber auch stellvertretend an einem Herbizid und einem Insektizid haben die Wissenschaftler die Funktionsfähigkeit ihrer Entwicklung erfolgreich im Labor getestet. Die Laboruntersuchungen liefen unter realen Bedingungen: Winzer reinigten ihre Geräte auf dem Waschplatz des DLR und stellten die Abwässer zur Verfügung. 

Nachhaltigkeit steht im Vordergrund

„Der Einsatz unseres Geräts ist nachhaltig“, unterstreicht Rosenfeldt. Der Photokatalysator braucht sich während der Reaktion nicht auf und ist somit theoretisch für eine unbegrenzte Zeit einsetzbar. Auch ist das Gerät energieautark und benötigt keine Stromversorgung vom Netz, um Pumpen, Motoren oder Steuerung zu betreiben. Überschüssige Energie wird für den späteren Gebrauch in modernen Hochleistungsakkus gespeichert. 

Laut der Wissenschaftler könnten Winzer mit dem Einsatz eines solchen Gerätes einen nachhaltigen Beitrag zur Steigerung und zum Erhalt der Wasserqualität leisten. „Aquatische Ökosysteme, aber auch Trinkwasserreservoirs wären direkt positiv betroffen“, bekräftigt Seitz, „Damit können wir zur erfolgreichen Umsetzung von Kernzielen der EU-Wasserrahmenrichtlinie beitragen“. Diese sieht bis 2027 einen guten ökologischen Zustand der Oberflächengewässer vor. Das PHOTOPUR-Konsortium verfolgt einen flächendeckenden Einsatz des Geräts. Ende 2020 wurde es zu einem Technologietransfer-Konsortium gewandelt, um den Prototypen zur Marktreife weiterzuentwickeln. Ziel ist es, gemeinsam mit einem Anlagenbauer das Gerät handlicher, nutzer- und bedienerfreundlicher zu gestalten. In zwei Jahren soll das Gerät für den Alltagsgebrauch der Winzer so weit sein. Das Gerät soll dann nicht nur im Weinbau, sondern in allen landwirtschaftlichen Betrieben und in Gärtnereien zum Einsatz kommen können. Geplant ist, mit der Behandlungsmethode auch weitere organische Rückstände abzubauen wie Pharmazeutika oder Nanokunststoff.

Dr. Frank Seitz ist Umweltwissen- schaftler und seit 2015 wissenschaft- licher Mitarbeiter am Institut für Umweltwissenschaften iES Landau. Er ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der nEcoTox GmbH. Nach Studium (2005 – 2012) und Promotion (2015) an der Universität Koblenz-Landau beschäftigt er sich heute insbesondere mit der Ökotoxikologie von Nanomaterialien, dem Einsatz von Nanotechnologien im Bereich photokatalytischer Abwasserbehandlung und Good Laboratory Praxis (GLP). Seitz engagiert sich in der Ecoliance Rheinland-Pfalz e.V., bei Nano in Germany e.V., in der SETAC (Society of Environmental Toxicology and Chemistry) und im Verband der Chemischen Industrie (VCI) im Koordinierungskreis Nano. 

Dr. Ricki Rosenfeldt ist Umweltwissen- schaftler und arbeitet seit 2015 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Umwelt- wissenschaften iES Landau. 2015 hat er mit Dr. Frank Seitz die nEcoTox GmbH gegründet und ist geschäftsführender Gesellschafter. Nach Studium (2006-2012) und Promotion (2015) an der Universität Koblenz-Landau sind seine überwiegenden Forschungsfelder die Ökotoxikologie und physiko-chemische Charakterisierung von Nanomaterialien sowie die quantitative chemische Analytik (Anorganik). Er ist Vorstandsmitglied der Ecoliance Rheinland-Pfalz e.V.. Darüber hinaus engagiert er sich bei Nano in Germany e.V., in der Society of Environmental Toxicology and Chemistry (SETAC) und im Verband der Chemischen Industrie (VCI) im Arbeitskreis Ökologie.

PHOTOPUR in den Medien (eine Auswahl)

Deutschlandfunk, Sendung „Umwelt und Verbraucher“ vom 29.06.2020, Beitrag Pestizidbelastetes Abwasser reinigen – innovative Methode für den Weinbau

SWR aktuell: „Landauer Forschungsprojekt: Abwasser mit UV-Licht reinigen

Studien (eine Auswahl)

M’Bra IC, García-Muñoz P, Drogui P, Keller N, Trokourey A, Robert D: Heterogeneous photodegradation of Pyrimethanil and its commercial formulation with TiO2 immobilized on SiC foams. Journal of Photochemistry and Photobiology A: Chemistry 2019, 368:1-6.

Garcia-Muñoz P, Dachtler W, Altmayer B, Schulz R, Robert D, Seitz F, Rosenfeldt R, Keller N: Reaction pathways, kinetics and toxicity assessment during the photocatalytic degradation of glyphosate and myclobutanil pesticides: Influence of the aqueous matrix. Chem Eng J 2019:123315.

M’bra, I. C., Robert, D., Keller, N., Drogui, P., & Trokourey, A. (2020). Photocatalytic Degradation of Myclobutanil and Its Commercial Formulation with TiO2 P25 in Slurry and TiO2/β-SiC Foams. Journal of nanoscience and nanotechnology20(9), 5938-5943.

Das Projekt „PHOTOPUR“ ist ein Interreg-V-Projekt der Wissenschaftsoffensive 2016 in der Trinationalen Metropolregion Oberrhein (TMO) und wurde vom Europäischen Fond für regionale Entwicklung mit 500.000 Euro gefördert. Insgesamt standen dem Projekt eine Million Euro zur Verfügung. Die Partner brachten folgende Expertise ins Projekt ein: Die Universität Koblenz-Landau als Projektinitiator und Koordinator ihre Erfahrung in der Ökotoxikologie, die Universität Straßburg ihr Know-how im Bereich der Photokatalyse, die Hochschule Offenburg ihre Erfahrung in der technischen Umsetzung und das Dienstleistungszentraum Ländlicher Raum (DLR) Rheinland-Pfalz sein Wissen im Bereich Pflanzenschutzmittelanalytik. Weitere Fördermittel kamen vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, der Region Grand Est und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Weitere Informationen unter photopur.org.

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