Was ist uns die Umwelt wert?

Wie lässt sich Biodiversität erhalten? Und vor allem: Welchen Preis sind wir bereit, dafür zu bezahlen? Diesen Fragen geht der Umweltökonom Oliver Frör am Campus Landau nach. Foto: Colourbox

Autofahren und Heizen wird teurer. Einer der Gründe ist die seit dem Jahr 2021 anfallende CO2-Bepreisung. Eine zusätzliche Abgabe, die fällig wird, weil man beim Verbrauch von Kraftstoff schädliches Treibhausgas ausstößt. Für den Besuch an der Tankstelle bedeutet das: Ein Liter Benzin kostet so sieben Cent mehr. In den nächsten Jahren wird sich dieser Betrag weiter erhöhen. Das Ganze ist Teil des Klimaschutzpaketes der Bundesregierung. Denn hinter dem CO2-Preis verbirgt sich folgende Idee: Fossile Brenn- und Kraftstoffe sollen unattraktiver werden – und das wiederum soll den Umstieg auf klimaschonendere Alternativen fördern. Ein Preisanstieg also, der den einen oder anderen zum Umdenken bringen möchte: Idealerweise überlegt man nun noch genauer, ob man für eine Strecke wirklich das Auto braucht – oder ob man doch besser Fahrrad, Bus oder Bahn nutzt. 

„Der CO2-Preis ist als Anreiz gedacht, umweltschädliches Verhalten zu vermeiden“, ordnet es der Umweltökonom Professor Dr. Oliver Frör ein. Ein Negativ-Anreiz sozusagen. Umweltschädliches Verhalten werde hier sanktioniert. Oliver Frör ist in dieser Thematik zu Hause: Als Wissenschaftler beschäftigt er sich mit der Frage, wie sich Menschen dazu bringen lassen, eine intakte Umwelt zu erhalten. Oder was sie bereit sind in Kauf zu nehmen, damit die Natur geschützt wird. 

Grundsätzlich gebe es zwei Arten von Anreizen, so Oliver Frör, auf die politische Entscheidungsträger setzen könnten, um Umweltschutz voranzubringen: „Neben Anreizen, umweltschädliches Verhalten zu vermeiden, gibt es auch Anreize, die umweltfreundliches Verhalten fördern.“ Der Umweltökonom erklärt es am Beispiel Photovoltaik. Als Privatperson tue man der Umwelt etwas Gutes, wenn man eine Solaranlage auf dem Dach hat: „Sie produziert Strom mithilfe von erneuerbaren Energien.“ Eigentlich wäre das – aufgrund der Investitionen und des variablen Sonnenscheins – unterm Strich aber teurer, als wenn man als Verbraucher einfach nur den Strom aus der Steckdose nutzen würde: „Die Gesellschaft profitiert vom umweltbewussten Verhalten der Solardach-Betreiber, da diese erneuerbaren Strom auch für andere Haushalte zur Verfügung stellen. Die Betreiber müssten aber draufzahlen.“ An dieser Stelle hat der Staat eingegriffen: Mithilfe der Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien Gesetz. Wer Strom seiner Solaranlage in das öffentliche Stromnetz einspeist, erhält dafür eine feste Vergütung. Und das für 20 Jahre. Zwei Anreize, die umweltfreundliches Verhalten fördern, macht Oliver Frör in diesem Fall aus: „Die finanzielle Entlohnung und die Sicherheit, dass einem der Strom auch wirklich abgenommen wird.“ Und genau das habe zu dem enormen Erfolg von Photovoltaikanlagen geführt, attestiert der Wissenschaftler.

Ähnliches ließe sich auch auf andere Bereiche übertragen: Für Landwirte beispielsweise könnten Anreize geschaffen werden, mehr für Biodiversität, also für die biologische Vielfalt zu tun. Man könnte es ihnen sozusagen finanziell schmackhaft machen, auf Feldern den Artenreichtum von Tieren und Pflanzen zu schützen. „Teilweise sind entsprechende Regelungen schon in den Fördermechanismen der Europäischen Union umgesetzt.“

Was ist uns eine intakte Umwelt wert?

Mit welchen Anreizen lassen wir uns locken, umweltfreundliche Dinge zu tun? Welche Anreize halten uns davon ab, umweltschädlich zu agieren? Oder anders gefragt: Was ist uns eine intakte Umwelt wert? Und was nehmen wir in Kauf? Genau mit solchen Fragen beschäftigt sich Oliver Frör im Rahmen seiner Forschung. 

Wie er sich einem Thema nähert, führt er am Beispiel der Stechmückenbekämpfung am Oberrhein aus. Dort wurde das massive Aufkommen der stechenden Störenfriede in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Biozid Bti bekämpft: „Bti wurde entlang des gesamten Oberrheins zwischen Basel und Mainz eingesetzt“, berichtet Frör, „und das auch in Schutzgebieten“. Frörs Kollege Dr. Carsten Brühl, ebenfalls am Campus Landau, hat mit seiner Arbeitsgruppe die Umwelteffekte von Bti in einem gemeinsamen von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekt untersucht und dabei festgestellt: Der Einsatz von Bti schadet auch Lebewesen, die eigentlich nicht Ziel der Bekämpfung sein sollten: Demnach reduziert Bti den Bestand der harmlosen Zuckmücken um die Hälfte. Das Heikle: Zuckmücken dienen als Nahrung vieler anderer Tiere. Letztendlich sind so vermutlich also auch Vögel, Amphibien oder Fledermäuse über ein geringeres Nahrungsangebot von dem Biozid-Einsatz betroffen.

Dabei gebe es alternative Möglichkeiten, wie man das Stechmücken-Problem angehen könne, führt Oliver Frör weiter aus. Es gibt Versuche, Ortschaften durch den Einsatz von Mückenfallen, die mit Lockstoffen arbeiten, zu schützen. Solche Fallen ließen sich gezielt dort aufstellen, wo Menschen direkt von den Insekten gestört werden. Naturschutzgebiete blieben unbeeinflusst. 

Doch würde die Bevölkerung ein solches Alternativkonzept mittragen? Und wären die Menschen bereit, dafür eventuell auch tiefer in den Geldbeutel zu greifen? Genau das wollten Frör und sein Team wissen: Sie führten Befragungen durch – über 300 Menschen aus dem Oberrhein-Gebiet nahmen daran teil. Gefragt wurden die Leute etwa, wie sie die aktuelle Schnaken-Bekämpfung einschätzen. Oder auch, ob ihnen bewusst ist, dass der bisherige Einsatz unter anderem in Schutzgebieten stattfindet. Gezielt gingen die Forschenden der Frage auf den Grund, was die Anwohner bereit sind, für ein Alternativkonzept zu zahlen. Als Ökonom versucht Frör hierbei mögliche Grenzen auszuloten: „80 Prozent waren bereit, jährlich 10 Euro mehr auszugeben. 70 Prozent waren aber nicht bereit, 200 Euro mehr auszugeben.“

Zusammengefasst haben die Untersuchungen gezeigt, so analysiert es Frör, „dass in der Bevölkerung eine Zahlungsbereitschaft bestehe, wenn es um eine naturschonendere Bekämpfung von Stechmücken geht“. Und weiter: Eine deutliche Mehrheit würde auch außerhalb der Ortschaften mehr Stechmücken tolerieren, solange es im Wohngebiet nicht mehr sind als bislang. 

Oder anders gesagt: Der Anreiz, ein umweltschädliches Verhalten – in diesem Fall wäre es der Biozid-Einsatz – zu vermeiden, wäre der Gewinn einer intakten Umwelt in der Nachbarschaft. Die befragten Menschen wären bereit, zumindest in einem gewissen Rahmen, dafür einiges in Kauf zu nehmen: Zum einen würden sie für ein Alternativkonzept – wie die Mückenfallen – etwas tiefer in den Geldbeutel greifen  – und zum anderen auch akzeptieren, zumindest beim Spaziergang im Grünen der einen oder anderen Stechmücke zu begegnen.

Inzwischen ist das Biozid in Naturschutzgebieten verboten. Auch aufgrund anderer Untersuchungen, wie Oliver Frör erklärt. Ob am Oberrhein nun eine alternative Methode zum Einsatz kommt, ist derzeit noch offen. 

Grundsätzlich möchte er mit seiner Arbeit politischen Entscheidungsträgern mehr Informationen liefern, erklärt Oliver Frör. Informationen etwa, die helfen zu beurteilen, welche Maßnahmen sinnvoll sind, um umweltschädliches Verhalten zu vermeiden – oder um umweltfreundliches Verhalten zu fördern. In vielen konkreten Situationen wisse zudem niemand so recht, „was die Leute bereit sind, für eine intakte Umwelt in Kauf zu nehmen.“ Ganz genau könne er das anhand seiner Untersuchungen natürlich nicht beziffern. Aber: Gemeinsam mit seinem Team versuche er, hierzu bessere Informationen zu liefern. 

Genauere, bessere Informationen liefern

Genauere, bessere Informationen liefern – eine Herangehensweise, die Oliver Frör auch bei vielen seiner anderen Projekte praktiziert. Gemeinsam mit seinem Team hat er beispielsweise im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz untersucht, wie erfolgreich das Projekt „Aktion Blau“ ist. Dabei handelt es sich um ein Programm des Umweltministeriums in Rheinland-Pfalz, bei dem seit 1995 die Wiederherstellung von naturnahen Gewässerzuständen gefördert wird. „Wir sollten herausfinden, ob die Bevölkerung die entsprechenden Fördermittel als gut angelegt erachtet.“ Und tatsächlich zeigte sich anhand Frörs Befragungen, dass die Leute eine Verbesserung der Wasserqualität wertschätzen und hierfür sogar weiteres Geld bezahlen würden. Auch wurde positiv quotiert, dass man Gewässer nun besser zur Erholung nutzen kann. Vorteilhaft kam auch an, dass Flüsse in Städten wieder sichtbar werden. „Das Projekt stößt also auf Gegenliebe“, fasst der Professor seine Untersuchungsergebnisse zusammen. Die Menschen befürworten, dass dafür Steuergelder ausgegeben werden.

Auch im Ausland ist Oliver Frör mit interdisziplinären Teams tätig. Beispielsweise im Rahmen des Projektes PRODIGY gemeinsam mit seinem Instituts-Kollegen Prof. Dr. Hermann Jungkunst und weiteren fünf deutschen Universitäten in Südamerika: Im westlichen Amazonasbecken herrscht immer häufiger Dürre – eine Folge des Klimawandels. Für die dortigen Bauern kann das verheerende Folgen haben. Sie sind in ihrer Existenz bedroht. Brasilianische Behörden sind an Frör und seine Kollegen herangetreten. Die Forschenden sollen herausfinden, wie sich die Situation verbessern lässt. Die Herangehensweise: „Würde die Biodiversität, sowohl im Boden als auch von Tieren und Pflanzen, besser erhalten werden, dann würden auch Dürre-Schocks weniger schlimm für die Bauern ausfallen.“ Der Gedanke dahinter: Biologische Vielfalt erhöht die Fähigkeit eines Ökosystems, dürrebedingten Stress abzupuffern. Würde der Staat also Biodiversität fördern, dann hätten „die Bauern insgesamt eine bessere Planbarkeit. Und damit auch mehr Sicherheit“, erklärt Oliver Frör. Denn eine Funktion der Biodiversität bestehe darin, den Stress durch Trockenheit abzumildern – und Ernteausfälle zu reduzieren. Das interdisziplinäre PRODIGY-Team geht dabei nicht nur Umwelt-Themen auf den Grund, – sondern blickt auch auf gesellschaftliche Auswirkungen: Könnten die Bauern – aufgrund der Klima-Veränderungen – irgendwann nicht mehr von ihren Feldern leben, dann stellt sich beispielsweise die Frage, ob die Kriminalität in der Region zunimmt. Allein die Fragestellung lässt erkennen, welch weitreichende Folgen es haben könnte, würde man nicht in Umweltschutz investieren.

Auch für die Zukunft hat sich Oliver Frör einiges vorgenommen: Im Rahmen eines weiteren Projektes will er herausfinden, ob die Menschen hierzulande bereit sind, den Wald auch dann noch als Erholungsort zu akzeptieren, wenn er sich verändert. Anpassungen im Waldmanagement könnten nämlich bewirken, dass so mancher Forst optisch ein anderer wird. Vielleicht weil – um Biodiversität zu erhalten oder ihn vor dem Klimawandel zu schützen – andere Arten von Pflanzen angesiedelt werden müssten. 

An Themen und Fragestellungen mangelt es nicht bei Oliver Frör. Hört man ihm zu, dann wird vor allem eines klar: Umsonst wird es eine intakte Umwelt nicht geben. Stellt sich die Frage, was wir zu zahlen bereit sind.

Oliver Frör ist seit 2011 Professor für Umweltsozial- wissenschaften mit Schwerpunkt Umweltökonomie am Campus Landau. Er hat Geoökologie an der Universität Bayreuth und Volkswirtschaftslehre an der State University of New York in Albany, USA, studiert. Promoviert in Umweltökonomie hat er an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Foto: Karin Hiller

Studien & Veröffentlichungen (eine Auswahl)

Schüpbach, B., Weiß, S.B., Jeanneret, P., Zalai, M., Szalai, M., Frör, O. (2021): What determines preferences for semi-natural habitats in agrarian landscapes? A choice-modelling approach across two countries using attributes characterising vegetation. Landscape and Urban Planning, doi.org/10.1016/j.landurbplan.2020.103954

Berger, E., Bossenbroek, L., Beermann, A.J., Schäfer, R.B., Znari, M., Riethmüller, S., Sidhu, N., Kaczmarek, N., Benaissa, H., Ghamizi, M., Plicht, S., Ben Salem, S., El Qorchi, F., Naimi, M., Leese, F., Frör, O. (2021) Social-ecological interactions in the Draa River Basin, southern Morocco: Towards nature conservation and human well-being using the IPBES framework, Science of the Total Environment 769doi.org/10.1016/j.scitotenv.2020.144492

Brühl, C.A., Després, L., Frör, O., Patil, C.P., Poulin, B., Tetreau, G., Allgeier, S. (2020). Environmental and socioeconomic effects of mosquito control in Europe using the biocide Bacillus thuringiensis subsp. israelensis (Bti), Science of the Total Environment 724, doi.org/10.1016/j.scitotenv.2020.137800

Cañedo-Argüelles, M., Hawkins, C.P., Kefford, B.J., Schäfer, R.B., Dyack, B.J., Brucet, S., Buchwalter, D.B., David, B., Dunlop, J.E., Frör, O., et al., (2016). Saving freshwater from salts: Ion-specific standards are needed to protect biodiversity. Science 351 (6276), 4-6.

Oliver Frör in den Medien

Mit Klimaspenden das Klima schützen. SWR-Fernsehen (28.5.2019)

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