Geschlechterstereotypen – und was sie mit uns machen

Der Rolle als Frau und gleichzeitig einer Führungsposition gerecht zu werden kann sehr herausfordernd sein, wie die sozialpsychologische Forschung zeigt. Foto: Colourbox

Im Personalmanagement wird dem Thema Diversität eine immer größer werdende Rolle zugeschrieben: Teams, die sich aus Menschen unterschiedlichen Geschlechts, aus verschiedenen Kulturen und mit heterogenem Bildungshintergrund zusammensetzen, erweisen sich in entsprechenden Untersuchungen als innovativer: Ihnen wird beispielsweise ein besseres Arbeitsklima attestiert – und sie sind erfolgreicher, wenn es darum geht, Kundinnen und Kunden verschiedener Zielgruppen anzusprechen. Man könnte also meinen, jeder bekommt im Berufsleben eine faire Chance. Doch dem ist – wie der eine oder andere vielleicht aus eigener Erfahrung weiß – nicht so: So beklagen beispielsweise erfolgreiche Frauen, dass sie wiederholt frauenfeindlichen Kommentaren und sexistischen Sprüchen ausgesetzt sind. Wie passt das zusammen? Das ist nur eine der Fragen, mit denen sich die Professorin Dr. Melanie Steffens beschäftigt – am Campus Landau forscht und lehrt sie im Bereich der Sozialpsychologie. 

Geschlechterstereotypen sind ein zentraler Fokus von Melanie Steffens Arbeit. Will man ihre Forschungsfragen genauer verstehen, dann holt sie bei der Erklärung zunächst etwas weiter aus: „In der Sozialpsychologie betrachten wir neben der individuellen Identität auch, welchen Gruppen jemand angehört.“ Dabei gebe es wichtigere und unwichtigere Gruppen, wie die Professorin weiß: „Wer Mitglied in einem Schwimmverein ist, für den ist Schwimmer sein häufig eine eher unwichtige Gruppenzugehörigkeit. Wer aber auf Olympianiveau schwimmt, für den ist Schwimmer sein natürlich eine sehr wichtige Gruppenzugehörigkeit.“ Es gebe auch eine nationale oder eine regionale Identität. Die auffälligste Identität sei aber nun mal das Geschlecht. Melanie Steffens: „Man sieht es meist sofort. Nach der Geburt ist die erste Frage: Ist es ein Junge oder ein Mädchen?“ 

Das Geschlecht als Identität begleite uns ein Leben lang: „Es ist allgegenwärtig.“ Und genauso seien es die Stereotypen, die mit dem Geschlecht einhergehen. Melanie Steffens: „Gemeint sind bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen, die eher mit dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht assoziiert sind.“ Diese werden oft als Klischee abgetan. Doch sie seien so präsent „wie eh und je“: Jungs weinen nicht sei so ein Stereotyp. Und Mädchen dürfen nicht so fordernd sein.

Eine Stereotypen-Aktivierung kann sich leistungsmindernd auswirken

Im Rahmen ihrer Forschung untersucht Melanie Steffens, wo und in welcher Form man auf solche Geschlechterstereotypen trifft. Dabei wirft sie einen Blick auf das Ausbildungs- und Berufsleben. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie beispielsweise untersucht, ob und wie sich Stereotypen auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Denn, so haben es bisherige Untersuchungen gezeigt, eine Stereotypen-Aktivierung sei durchaus leistungsmindernd: „Ein Stereotyp ist, dass Frauen schlecht in Mathematik sind. Und tatsächlich, in Mathetest schneiden sie schlechter ab, wenn sie daran erinnert werden, dass sie eine Frau sind.“ Dazu reiche es aus, wenn man als Frau an einer Klausur teilnimmt, den Prüfungsraum betritt und feststellt, dass man die einzige oder nur eine von wenigen Frauen ist: „Allein diese Feststellung kann sich leistungsmindernd auswirken und bei der Klausur zu einem schlechteren Ergebnis führen.“

„Stereotypen schaffen Realitäten, die als naturgegeben gesehen werden“

Stereotypen wirken: „Sie schaffen Realitäten, die als naturgegeben gesehen werden“, ergänzt die Professorin: „Stereotypen werden gemacht. Sie entstehen, weil Frauen und Männer bestimmte Rollen einnehmen.“ Ein Beispiel: Lehrende an einer Grundschule seien vorrangig nun mal Frauen. „Und daraus schließt man, dass Frauen das gut können. Im Top-Management von Unternehmen sind vor allem Männer tätig. Deshalb schreibt man die dafür notwendigen Fähigkeiten vor allem Männern zu.“

Frauenfeindlicher Humor: Mehr als ein schlechter Witz

In einer von Melanie Steffens und ihrem Team durchgeführten Studie geht es um frauenfeindlichen Humor: Die Forschenden haben Experimente mit etwa 400 Teilnehmerinnen durchgeführt. Einige der Teilnehmerinnen haben sich Videos der Komiker Mario Barth und Luke Mockridge angeschaut, „die darin frauenfeindliche Witze machen.“ Andere Teilnehmerinnen haben sich – als Kontrollgruppe – neutrale Videos angesehen. Danach haben die Teilnehmerinnen kognitive Tests durchgeführt. Und es zeigte sich: „Die, die zuvor mit dem frauenfeindlichen Humor konfrontiert wurden, haben in diesen Tests schlechter abgeschnitten.“ Die Stereotypen-Aktivierung habe also auch hier negative Konsequenzen gezeigt. Melanie Steffens zieht als Fazit: „Oft wird frauenfeindlicher Humor damit abgetan, dass das ja bloß ein Witz sei. Aber so einfach ist es nicht.“ Frauenfeindlicher Humor habe – zumindest kurzzeitig – Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit.

Führungsrolle und Frau: Eine besondere Herausforderung

In einem weiteren Forschungsprojekt von Melanie Steffens geht es um die Frage, wie Frauen mit den ihnen entgegnen gebrachten Stereotypen umgehen. So werde dem weiblichen Geschlecht nachgesagt, es sei besonders empathisch. Im Arbeitsleben sei diese positive Assoziation aber nicht immer durchzuhalten, wie die Psychologin Melanie Steffens erklärt: „Etwa, wenn sie als Führungskraft ein negatives Feedback geben müssen.“ Das, so haben es Untersuchungsergebnisse von Steffens und ihrem Team gezeigt, bringe Frauen durchaus in eine Zwickmühle: „Zum einen wollen sie ihrem Stereotyp gerecht werden, dass sie empathisch, mitfühlend und sozial sind.“ Und: „Sie haben Angst, dass sie – äußern sie sich negativ – Beziehungen im Berufsleben aufs Spiel setzen. Sie fürchten, als Zicke wahrgenommen zu werden.“ Das sei für Frauen in Führungspositionen ein schmaler Grat, meint Steffens: „Frauen müssen gleichzeitig ihrer Führungsrolle als auch ihrer Rolle als Frau gerecht werden.“ Eine Herausforderung – und vielleicht ein Grund, warum sich die eine oder andere Frau gar nicht erst in eine Führungsposition begibt.

Männer könnten außerhalb ihres Berufes versuchen, ihrer Männlichkeit gerecht zu werden

Doch auch die Aktivierung von männlichen Stereotypen habe durchaus Konsequenzen. Etwa dann, wenn Männer den ihnen zugeschriebenen Eigenschaften nicht gerecht werden können – wenn vielleicht ihre Führungsstärke, also eine vor allem Männern zugeschriebene Eigenschaft, angezweifelt wird. Im Berufsleben könne das bedeuten: Sie verhalten sich – gegenüber einer erfolgreichen Frau – negativ. Mobben sie vielleicht. Einige Männer, die sich auf diese Weise bedroht fühlen, geben dann vielleicht den einen oder anderen frauenfeindlichen Spruch ab. Und Melanie Steffens nennt ein weiteres, mögliches Szenario: „Eine junge Frau ist erfolgreich. Einige männliche Vorgesetzte sehen darin möglicherweise eine Gefahr. Und fördern vielleicht eher männliche Kollegen.“ 

Doch wie könnte man diese negativen Konsequenzen der Geschlechterstereotypen aushebeln? Melanie Steffens: „Eine Möglichkeit wäre, wenn Männer beispielsweise außerhalb ihres Berufes Möglichkeiten finden, ihre Männlichkeit zu zeigen.“ Die Arbeit müsse dabei ja nicht die zentrale Rolle einnehmen. Melanie Steffens berichtet von einem Beispiel aus ihrem eigenen Umfeld: „Ein Mitarbeiter erzählte mir, dass es ihm nichts ausmacht, wenn seine Frau im Beruf erfolgreicher ist als er – solange sie beim Klettern nicht erfolgreicher ist.“

Mit dem richtigen Image könnten auch MINT-Studiengänge für Frauen interessanter werden

Auch beim Ergreifen eines Berufes spielen Stereotypen noch immer eine Rolle. So werden naturwissenschaftliche und ingenieurwissenschaftliche Studiengänge nach wie vor stark von männlichen Kandidaten belegt. Die MINT-Fächer leiden unter einem Frauenmangel. Was könnte helfen? Melanie Steffens: „In diesen Bereichen hat sich ja schon einiges getan. Tiermedizin und Pharmazie werden seit einiger Zeit vor allem von Frauen studiert. Das waren auch einst Männerdomänen.“ Grundsätzlich könne sich also etwas ändern, meint die Sozialpsychologin. Bewusst machen sollte man sich: „Stereotypen im Beruf gehen stark mit Personen einher, die ihn ausüben.“ Informatik-Studierende werden noch immer mit pickeligen Nerds assoziiert. Und so ein Stereotyp wirke auf junge Frauen abschreckend – möglicherweise denken sie: „So bin ich nicht und so möchte ich nicht werden“ – und schon schließen sie ein Informatik-Studium für sich aus. Man müsse das Image der entsprechenden Studiengänge ändern, meint Melanie Steffens: „So könnte man herausstellen, dass man nach abgeschlossenem Informatik-Studium Lösungen entwickelt, die Menschen helfen. Man arbeitet in einem Team, muss kommunikativ sein.“ Alles Aspekte, die junge Frauen ansprechen könnten. Und es geht um Vorbilder: „Wir brauchen Frauen, die das verkörpern, was junge Frauen anspricht.“ Auch damit möchte sich Melanie Steffens in Zukunft noch weiter auseinandersetzen: wie man Stereotypen abbaut. Denn mit den richtigen Ansätzen sei das möglich.

Prof. Dr. Melanie Steffens studierte Psychologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Sie promovierte und habilitierte sich an der Universität Trier. Im Jahr 2004 wurde sie Professorin für Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seit 2013 lehrt und forscht sie am Campus Landau. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gruppenzugehörigkeiten, Stereotype und Diskriminierung, insbesondere bezogen auf Geschlecht. Foto: Karin Hiller

Wissenschaftliche Veröffentlichungen (eine Auswahl):

Steffens, M. C., & Ebert, I. D. (2016). Frauen – Männer – Karrieren. Eine sozialpsychologische Perspektive auf Frauen in männlich geprägten Arbeitskontexten. Wiesbaden: Springer.

Weber, S., Appel, M., Steffens, M. C., & Hirschhäuser, V. (2020). Just a joke? Can sexist comedy harm women’s cognitive performance? Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/aca0000369

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