Wenn zu wenig Grundwasser ein Problem wird

Die stärkste Zunahme beim Grundwasserverbrauch ist aktuell bei der Beregnungslandwirtschaft zu finden. Foto: Colourbox

Kleine Bäche und Teiche trocken teilweise aus, Quellen versiegen – eine Ursache: „Der Klimawandel führt in vielen Teilen Deutschlands zu sinkenden Grundwasserneubildungsraten“, erklärt Privatdozent Dr. Hans Jürgen Hahn, der am Campus Landau im Bereich der Umweltwissenschaften forscht und lehrt. Dadurch kommt, vereinfacht gesagt, „zu wenig Wasser nicht nur im Grundwasser, sondern auch in so manchem Gewässer an“. Auch für Feuchtgebiete habe das Konsequenzen – und „für jene Wälder, die an hochstehende Grundwasserstände angepasst sind.“

Der Klimawandel und die damit einhergehende Trockenheit macht unserem Grundwasser zu schaffen – und das wiederum bringt weitere Probleme mit sich: „Ist der Grundwasserpegel niedrig, dann kann belastetes Oberflächenwasser aus Bächen und Flüssen ins Grundwasser gelangen“, erklärt Hans Jürgen Hahn die physikalischen Folgen. Schadstoffe könnten auf diese Weise ins unterirdische Nass eindringen. „Da kommt eine riesige Baustelle auf uns zu“, fasst der Ökologe Hahn die aktuelle Situation zusammen: „Wir reichern das Grundwasser zunehmend mit Abwasser an – mit Pestiziden, Medikamentenresten und anderen Schadstoffen.“ Dazu sollte man wissen: In Bächen fließt nicht nur Quellwasser, sondern dort fließen auch Kläranlagen-Abläufe. Hahn nennt ein lokales Beispiel: „Ab Knöringen war der Hainbach im Sommer 2020 trocken, bis zur Kläranlage Hochstadt, dann hat er wieder bis ungefähr Schwegenheim Wasser geführt, danach war er wieder trocken. Das war Kläranlagenwasser.“ Dieses sei nicht verdunstet, erklärt Hahn, sondern ins Grundwasser versickert.

„Das Jahr 2003 war eine Zäsur“

Als Wissenschaftler untersucht Hans Jürgen Hahn die Wechselwirkungen zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser: Er beschäftigt sich unter anderem damit, wie der Landschaftswasserhaushalt die Biologie des Grundwassers beeinflusst – also die Vorgänge des Wasserkreislaufs, der aus Niederschlag, der Infiltration, der Grundwasserneubildung, des Abflusses und den verschiedenen Komponenten der Verdunstung besteht. Alles Aspekte, bei denen es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu erheblichen Veränderungen gekommen ist: „Das Jahr 2003 war eine Zäsur“, resümiert Hahn. Die 1990er Jahr seien sehr nass gewesen. Und das habe natürlich auch den Grundwasserständen gutgetan: Es wurde jede Menge neues Grundwasser gebildet. Doch seit 2003 sei alles anders: „Seitdem hatten wir eigentlich kein richtig nasses Jahr mehr.“ Die Grundwasserneubildungsrate in Rheinland-Pfalz sei seit 2003 gegenüber den Jahrzehnten zuvor um rund 25 Prozent geringer. „In der Südpfalz sind es bis zu 50 Prozent weniger Neubildung.“ Weitere Dinge seien klimabedingt hinzugekommen, wie Hahn ergänzt: Die Vegetationszeit habe sich verlängert – in den vergangenen dreißig Jahren um drei Wochen: „Weil es im Herbst und Frühjahr draußen länger warm ist.“ Die Bäume bleiben länger grün und benötigen dann eben auch mehr Wasser. Wasser, das nicht mehr für die Grundwasserneubildung zur Verfügung steht.

„Wir beobachten aktuell die stärkste Zunahme beim Grundwasserverbrauch bei der Beregnungslandwirtschaft“

In einem Forschungsprojekt für die ARD-Aktion #unserWasser untersucht Hans Jürgen Hahn die sichtbaren Folgen von Klimawandel und der landwirtschaftlichen Bewässerung durch die Nutzung von Grundwasser – der sogenannten Beregnungslandwirtschaft. Die dahinter stehende Problematik: Die Grundwasserneubildung sinkt. Gleichzeitig steigen die Grundwasserentnahmen. Dadurch sinken die Grundwasserstände weiter, und der Landschaftswasserhaushalt verändert sich. Ein Aspekt dabei: Die Landwirtschaft muss aufgrund der zunehmenden Trockenheit mehr bewässern: „Wir beobachten aktuell die stärkste Zunahme beim Grundwasserverbrauch bei der Beregnungslandwirtschaft“, erklärt Hans Jürgen Hahn. Gemeinsam mit seinem Team und dem freiberuflichen Limnologen Dr. Holger Schindler sichten sie die verfügbaren Daten. Erstes Ergebnis: „In Zeiten des Klimawandels gibt es in Deutschland keine einheitliche Grundlage zur Erfassung der Schlüsselparameter des Landschaftswasserhaushaltes.“

Ergänzt wird die ARD-Aktion #unserWasser durch eine sogenannte Crowd-Science-Aktion – also einer Mitmach-Aktion. Durch eine großflächige Erhebung soll ein Gewässergesamtbild von ganz Deutschland entstehen. Die Daten wollen Hahn und sein Team auswerten. Jeder kann bei dieser Daten-Erfassung mitwirken. „Je mehr mitmachen, desto genauer wird das Bild“, sagt Hahn. Denn „ein flächiges Bild, wie sich in Deutschland Trockenheit darstellt, hat es bisher noch nicht gegeben.“

„Wir brauchen mehr Kontrolle bei der Grundwasserentnahme – und das auch in der Landwirtschaft“ 

Doch zurück zum Forschungsprojekt: Hans Jürgen Hahn und sein Team recherchieren Daten und Wasserrechte: „Wir schauen uns an, für welche Flächen eine Grundwasserentnahme genehmigt ist. Und welche Flächen dann tatsächlich beregnet werden.“ Was der Umweltwissenschaftler bereits sagen kann: „Die Beregnungslandwirtschaft geht mit dem Grundwasser nicht sparsam genug um.“ Gleichzeitig haben sich die Flächen ausgedehnt, die auf diese Weise beregnet werden: „Möglicherweise wird mehr Wasser entnommen, als tatsächlich genehmigt wurde.“ Was kann eine Schlussfolgerung daraus sein? „Wir brauchen mehr Kontrolle bei der Grundwasserentnahme – und das auch in der Landwirtschaft.“ 

„Der Klimawandel findet regional unterschiedlich statt“ 

Eine weitere Erkenntnis aus Hahns bisherigen Beobachtungen: „Der Klimawandel findet regional unterschiedlich statt. In der Pfalz ist die Situation eine ganz andere als etwa im Schwarzwald.“ Das liege beispielsweise an der Regenhäufigkeit – und den damit einhergehenden Konsequenzen für Wälder, Felder und Bäche. Maßnahmen, die die Situation verbessern sollen, müssten dementsprechend regional verwirklicht werden, führt Hans Jürgen Hahn weiter aus: „Bei der Erstellung eines Konzepts muss man sich fragen: Wie viel Wasser hat mein System? Wer entnimmt Wasser? Wie viel Entnahme verträgt es? Was kann ich tun, um Wasser in der Fläche zu halten? Und was muss passieren, wenn der Grundwasserpegel zurückgeht?“ Um solche Fragen richtig beantworten zu können, müsse es standardisierte, belastbare Verfahren geben: „Wir brauchen Daten, auf die man sich auch verlassen kann. Wir müssen wissen, wie viel Grundwasser verfügbar ist in einer Region. Genau das ist nämlich meist nicht klar.“

Konzepte müssen speziell auf die jeweilige Region abgestimmt sein

Und was könnten Regionen tun, damit ein Grundwasserrückgang gestoppt wird? Hahn nennt Versickerungsspeicherplätze als ein Beispiel: Große Niederschlagsmengen und Hochwasserspitzen werden dort sozusagen zurückgehalten: „Rhein-Hochwasser beispielsweise wird in Polder abgeleitet. Und das kann auch bei einem Konzept zur Grundwasserneubildung eine Rolle spielen.“ Aber: „Das Ganze ist auch nicht ganz unkritisch zu sehen“, führt Hahn weiter aus. Bei solchen Konzepten müsse man sich nämlich auch immer die Frage stellen, ob und wie stark belastet das entsprechende Oberflächenwasser ist, dass man so ins Grundwasser sickern lassen möchte: „Sonst kann es auch auf diese Weise zu Verunreinigungen kommen.“ Auch deshalb seien regionale Konzepte wichtig: „Für die richtige Lösung muss man sich mit der Situation vor Ort beschäftigen.“

Für viele Regionen ein weiteres Problem: „Bei entsprechendem Untergrund, wie wassergesättigten, lehmigen Böden oder festem Fels, ist die Aufnahme von Regenwasser gering. Das Wasser kann dann als Hochwasser ins Tal schießen.“ So etwas habe sich damals im Sommer 2021 an der Ahr abgespielt. Was Verantwortliche bedenken sollten: In bebauten Siedlungen hat Wasser oftmals nur wenig Gelegenheit zu versickern: „Über Dächer und Regenrinnen gelangt es direkt in die Kanalisation“, berichtet Hahn. Dabei gehe Wasser verloren, das man eigentlich für die Grundwasserneubildung brauche. Über Bauvorschriften ließe sich einiges verändern. „Und Privathaushalte könnten sich beispielsweise eine Zisterne anlegen“, meint Hahn. Auch für die Klärwasser-Problematik gebe es Lösungen: „Eine vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen hilft, Medikamentenreste und Ähnliches aus den Fließgewässern rauszuhalten.“

Und was müsste sich konkret bei der Beregnungslandwirtschaft verändern? „Die Beregnungsmethoden, die man bei uns auf den Äckern sieht, sind ja schon ziemlich altertümlich“, meint Hahn. Da gebe es mittlerweile modernere Techniken. Damit könne man erhebliche Wassermengen einsparen. Und es stelle sich natürlich auch die Frage, ob man überall alles anbauen muss: „Wir brauchen ein System, das Wasser sparen für die Landwirtschaft attraktiv macht.“

„Es ist wie bei einer Badewanne, bei der der Stöpsel gezogen wird“

In zukünftigen Forschungsprojekten will Hahn noch stärker der Frage nachgehen, welche Wechselwirkungen zwischen Grundwasser und Oberflächenwasser bestehen. In einer neuen Veröffentlichung zeigen er und seine Kollegen, wie Bäche zurückgehen, wenn das Grundwasser sinkt: „Es ist wie bei einer Badewanne, bei der der Stöpsel gezogen wird.“ Zum Thema Grundwasser wird dies sicherlich nicht die letzte Erkenntnis sein.

PD Dr. Hans Jürgen Hahn ist Limnologe und Ökologe. Seit 2008 lehrt und forscht er als Privatdozent im Institut für Umweltwissenschaften am Campus Landau. Gleichzeitig ist er Geschäftsführer des Instituts für Grundwasserökologie IGÖ GmbH. Nach Abschluss seines Studiums 1990 war Hahn fast  acht Jahre lang beim BUND Landesverband Rheinland-Pfalz als Naturschutzreferent und Projektleiter  tätig. Daneben promovierte an der Universität Gießen (1996) und wechselte nach Landau, wo er sich 2006 mit einer Arbeit über die biologische Bewertung des Grundwassers habilitierte. Er  befasst sich vor allem mit der Ökologie des Grundwassers, der Quellen und der Bachsedimente,  aber auch mit der Biologie des Trinkwassers. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Entwicklung biologischer Bewertungsansätze für Grund- und Trinkwasser. Zunehmend beschäftigen ihn auch der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf den Landschaftswasserhaushalt, auf Grund- und Trinkwasser. 

Wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema:

Uhl et al. (2022) Making waves: Pulling the plug—Climate change effects will turn gaining into losing streams with detrimental effects on groundwater quality, Water Research Volume 220

Das Thema in den Medien

#unserWasser-Beiträge mit PD Dr. Hans Jürgen Hahn:

Doku „Bis zum letzten Tropfen“ 

Doku „Durst – wenn unser Wasser verschwindet

Doku „Die große Dürre

0 Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.