Produktion oder Konsum: Wer ist verantwortlich für die Treibhausgasemissionen von Nahrungsmitteln?

Neue Berechnungsinstrumente könnten den globalen Handel mit Nahrungsmitteln energieeffizienter machen. Foto: Colourbox

Etwa ein Drittel aller Treibhausgas-Emissionen geht auf die Produktion von Nahrungsmitteln zurück. Um das Pariser Klimaabkommen zu erreichen, also den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, sei es daher nötig, „dass die Nahrungsmittelproduktion auf der Welt auch hinsichtlich des Ausstoßes von Treibhausgasen effizienter wird“, sagt Professor Dr. Oliver Frör, der im Bereich der Umweltsozialwissenschaften mit Schwerpunkt Umweltökonomie forscht und lehrt.

Weltweit finde ein reger Handel mit Nahrungsmitteln zwischen Ländern und Kontinenten statt, holt Oliver Frör etwas weiter aus: „Üblicherweise trägt der internationale Handel dazu bei, dass Produkte dort produziert werden, wo dies am kostengünstigsten geschehen kann, also wo dies aufgrund der natürlichen Bedingungen am besten möglich ist, wo die effizientesten Technologien existieren. Oder die Arbeitskosten niedrig sind.“ Diese Effizienz werde dadurch gesteuert, dass all diese Produktionsfaktoren Preise haben und Handelspartner sich bei ihren Entscheidungen, was wo produziert und gekauft werde, an diesen Preisen orientieren. Die Sache habe jedoch einen Haken, wie Oliver Frör anfügt: „Da Treibhausgase im Bereich der Nahrungsmittelproduktion bislang keine Preise haben, werde die Effizienz der Produktion diesbezüglich nicht berücksichtigt.“ 

Fehlanreize wurden geschaffen – sodass global mehr Emissionen entstehen als nötig

Seit dem Kyoto-Protokoll von 1997, das erste verbindliche internationale Abkommen zum Klimaschutz, wird der Ausstoß von Treibhausgasen auf der Ebene der nationalen Staaten betrachtet – und Emissionsziele auf dieser Ebene geregelt. Oliver Frör: „Hierbei werden prinzipiell die Produktionsemissionen als Maßstab herangezogen, also die Menge an Treibhausgas-Ausstoß, die bei allen im Inland produzierten Gütern anfällt.“ Alle Klimaverhandlungen basieren seither auf diesem Ansatz. 

Dieser Ansatz führe jedoch zu Problemen, wie Oliver Frör ergänzt, weil damit im internationalen Handel Fehlanreize entstehen: Es komme nämlich an Orten zur Produktion von Gütern, wo dies nicht immer mit den geringstmöglichen Emissionen geschieht. „Das betrifft nicht nur Nahrungsmittel, sondern prinzipiell alle Güter.“ Wenn beispielsweise ein Land ein Produkt mit besonders geringen Treibhausgasen herstellt, „aber für dieses Land in den internationalen Klimaabkommen eine Obergrenze für den Ausstoß vereinbart ist, dann kann das Land nicht so viel dieses Gutes produzieren, wie es möchte, beziehungsweise wie international nachgefragt wird.“ Um den Bedarf zu decken, müsse die restliche Menge des benötigten Gutes in anderen Ländern mit mutmaßlich höherem Treibhausgasausstoß hergestellt werden. „Sodass global gesehen mehr Emissionen entstehen als nötig“.

Emissionswerte am Konsum orientieren – und nicht an der Produktion

Das Problem sei laut Frör die Zurechnung von Emissionen für Produkte, die nicht im Inland konsumiert werden, sondern für den Konsum in andere Länder exportiert werden. „Gleichzeitig importiert jedes Land natürlich auch Nahrungsmittel, die auch eine bestimmte Menge an Emissionen mit sich bringen.“ Um nun den relevanten Treibhausgasausstoß eines Landes in angemessener Weise zu bestimmen, entstand die Idee, „das nationale Emissionsbudget nicht mehr an den produzierten Gütern, sondern an den konsumierten Gütern zu orientieren.“ Denn genau das könne zeigen, wie viel Emissionen wirklich von den Bürgerinnen und Bürgern eines Landes verursacht werden – „was den Einfluss des Landes auf die globalen Emissionen besser widerspiegelt als die Produktion des Landes, die ja von der Nachfrage anderer Länder getrieben und somit verursacht ist“.

Handelsbereinigte Emissionen bei der Nahrungsmittelproduktion

Gemeinsam mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat das Team um Oliver Frör diesen Ansatz im Rahmen einer Studie in Bezug auf Nahrungsmittel verfolgt: „Wir betrachten verschiedene Gruppen von Nahrungsmitteln. Das sind Fleisch von Wiederkäuern, Schwein, Huhn, Milch, Eier, Reis, sonstige Getreide und sonstige Produkte, darunter etwa Soja und alle möglichen Öle. Wir berechnen dabei für jedes Land die Emissionen, die nicht nur bei der Produktion dieser Nahrungsmittel entstehen, sondern nach dem diese durch internationalen Handel ex- und importiert wurden.“ Dafür haben sie sich Daten über einen Zeitraum von 30 Jahren angeschaut – von 1986 bis 2016. „Es werden Daten von allen Ländern und allen Nahrungsmittelsektoren mit einbezogen. Das hat so noch keiner gemacht“, sagte Oliver Frör zur Besonderheit der Studie. Die Forschenden greifen dabei auf Daten der FAO zurück, also der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen mit Hauptsitz in Rom. „Auf diese Weise berechnen wir die handelsbereinigten Emissionen eines jeden Landes für Nahrungsmittel.“

Auch die reinen Handelsnationen werden in den Blick genommen

Auch die reinen Handelsnationen werden in den Blick genommen. Denn, so erklärt es Frör, bei dem neuen Rechenansatz werde in der Regel nicht berücksichtigt, „ob die aus einem Land importierten Nahrungsmittel von diesem Land schon aus einem anderen Land importiert worden sind – und auch nicht, ob das importierende Land die importierten Nahrungsmittel gar nicht konsumiert, sondern einfach weiterverkauft und wieder exportiert.“ Der Ansatz sei also nicht vollständig konsumbasiert – sondern spiegelt einen bilateralen Handel wider. Diese Herangehensweise habe einen guten Grund, wie Oliver Frör weiter erklärt: „Wir schreiben bei unseren Berechnungen damit auch den Handelsnationen eine Bedeutung zu. Diese bekommen so den Anreiz, auch beim reinen Handeln Nahrungsmittel auszuwählen, die eine besonders geringe Emissionsintensität mit sich bringen.“ Oder anders gesagt: Als Zwischenhändler schadet man dem eigenen Emissionsbudget, wenn man sich auf dem Weltmarkt günstig emissionsintensive Produkte besorgt – auch wenn diese lediglich für den Weiterverkauf gedacht sind.

Es zeigen sich Muster, die vorher so nicht sichtbar waren

Und welche Erkenntnisse lassen sich aus der Datenerhebung ziehen? „Wir zeigen, dass bei diesen Berechnungen bestimmte Muster entstehen, die vorher so nicht sichtbar waren.“ So stechen nun als Treibhausgas-Erzeuger etwa Länder heraus, die wesentlich mehr importieren als exportieren: „Das sind im Wesentlichen die Stadtstaaten dieser Welt, aber auch Staaten in Trockenregionen wie im Nahen und Mittleren Osten, die eine wachsende und anspruchsvoller werdende Bevölkerung zu versorgen haben“. 

Und es zeige sich, dass dabei bestimmte Produkte eine herausragende Rolle einnehmen, „nämlich alle tierischen Produkte, die bei der Produktion eben besonders hohe Emissionen erzeugen“. Die Forschenden konnten dabei erkennen, dass – nach dem neuen Berechnungsansatz – bestimmte Länder oder Regionen wie Brasilien, aber auch andere Länder Lateinamerikas sowie Australien und Neuseeland durch ihre hohen Fleischexporte vor allem nach Europa und Asien handelsbereinigt geringe Emissionen haben. „Länder wie China und Europa aber große Mengen an Emissionen auf diese Art importieren, die in deren Emissionsbudgets üblicherweise nicht erscheinen.“

Und welches Fazit ziehen die Forschenden? Oliver Frör: „Es wäre nötig, diese Emissionsströme im internationalen Handel genauer sichtbar zu machen – und sie dann in handelsbereinigte, auf dem Konsum der Länder basierenden Emissionsbudgets zu integrieren und diese als Grundlage für internationale Klimaabkommen zu verwenden.“ Somit würden die Emissionen auch im Nahrungsmittelbereich über die Knappheit im Emissionsbudget eine Art Preis erhalten – und könnten die Energieeffizienz der Nahrungsmittelproduktion steigern. „Jedes Land hätte dann einen Anreiz, seinen Verbrauch auf weniger emissionsintensive Lebensmittelprodukte zu fokussieren.“

Bei zukünftigen Klimaverhandlungen: Studiendaten können Basis für neue Instrumente und Werkzeuge sein

Grundsätzliche Ansätze dahingehend gebe es bereits, wie Oliver Frör weiter ausführt: „Aktuell wird in der EU ein System aufgebaut, um in die EU importierte Emissionen für bestimmte emissionsintensive Güter, darunter beispielsweise Energie, Stahl, Aluminium, kontrollieren zu können.“ Gemeint sei der sogenannte „carbon border adjustment mechanism“ – kurz CBAM. „Importeure von Produkten, die in den Herkunftsländern höhere Treibhausgas-Emissionen verursachen als in der EU, müssen dann spezielle Emissionszertifikate erwerben.“ Frör: „Hierbei werden jedoch Nahrungsmittel bislang nicht berücksichtigt.“ Das soll sich ändern: „Mit unserer Forschung stellen wir eine Basis her, damit Instrumente und Werkzeuge etabliert werden können, die transparent und faktenbasiert sind.“ Und vielleicht könnten genau diese schon bald dazu beitragen, dass die globalen Treibhausgas-Emissionen sinken.

Oliver Frör ist seit 2011 Professor für Umweltsozialwissen- schaften mit Schwerpunkt Umweltökonomie am Campus Landau. Er hat Geoökologie an der Universität Bayreuth und Volkswirtschaftslehre an der State University of New York in Albany, USA, studiert. Er promovierte in Umweltökonomie an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Seit 2017 ist er Prodekan für Forschung, Nachwuchsförderung und Internationalisierung des Fachbereichs 7 „Natur- und Umweltwissenschaften“. Er forscht in internationalen Forschungsprojekten in Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika – unter anderem zu den Themen Landnutzung, Klimawandel und Ökosystemdienstleistungen. Foto: Karin Hiller

Studie:

Adrian Foong, Prajal Pradhan, Oliver Frör, Jürgen P. Kropp (2022): Adjusting agricultural emissions for trade matters for climate change mitigation. Nature Communications [DOI: 10.1038/s41467-022-30607-x]

Weitere Veröffentlichungen von Oliver Frör.

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