Digitalisierung, demografischer Wandel und wie sich die Arbeitswelt verändert

Jüngere Menschen sind bei der Wahl ihres Arbeitgebers anspruchsvoller – und wechseln ihn häufiger als vorherige Generationen. Das ist nur eine der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Foto: Colourbox

Ein Voranschreiten der Digitalisierung und die damit einhergehenden Möglichkeiten wie Homeoffice haben nicht nur während der Corona-Pandemie gezeigt, wie sehr sich die Arbeitswelt verändert. Betriebspädagoge Prof. Dr. Jendrik Petersen untersucht, wie auch kleine und mittlere Unternehmen den Anschluss nicht verpassen.

Es seien die Megatrend-Themen der Arbeitswelt, denen er sich widmet, sagt Jendrik Petersen, fragt man den Professor nach seinen Forschungsschwerpunkten: „Das sind die Digitalisierung und der demografische Wandel.“ Oder etwas genauer ausgedrückt: „Wie sich diese Trends auf kleine und mittlere Unternehmen auswirken.“ Diese auch als „KMUs“ abgekürzten Organisationen seien nun mal das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Und genau bei ihnen bestehe hinsichtlich der Megatrends noch Nachholbedarf: „Wir wollen KMUs beraten, wie sie die Trends umsetzen, und dahingehend insbesondere auch, was Führungskräfte vor Ort tun können – wie sie das Unternehmen weiterentwickeln.“ In KMUs seien Führungskräfte oftmals eine Art „Allrounder“, müssen sich gleich mehreren Aufgaben widmen – und haben so nicht immer die Zeit, sich mit den Trends der Arbeitswelt zu beschäftigten.

Jendrik Petersen indes ist Experte auf dem Gebiet: Seit den 1990er-Jahren beschäftigter er sich mit dem Thema zeitgemäße Führung. Dialogisches Management sei dabei ein Dauerthema, wie er ergänzt. Demnach ist ein Management nur dann erfolgreich und legitimierbar, wenn es dem Dialog mit Mitarbeitenden und Institutionen gewachsen ist. Doch dazu später mehr.

„Auf den Internetseiten von Unternehmen ist zu lesen, dass die Mitarbeitenden das wichtigste Kapitel seien. Doch die Realität sieht leider manchmal anders aus“

Die von Petersen betreuten Studierenden gehen – beispielsweise im Rahmen ihrer Masterarbeit – direkt in ein Unternehmen, in ein KMU – klären die Ist-Situation vor Ort und was und wie man verändern könnte. „Zunächst brauchen wir dafür einen theoretischen Input“, erklärt der Betriebspädagogik-Professor das genauere Vorgehen. Dabei analysieren die Forschenden, in welchem Rahmen die Megatrends für ein KMU relevant sind. Dann folge die Ist-Analyse: „Wir führen Interviews vor Ort durch.“ Abgefragt werde bei den Führungskräften beispielsweise, wie es um die digitale Ausstattung im Unternehmen bestellt ist. Oder wie die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten eingeschätzt werden, was besser laufen könnte. 

Bei seinen Untersuchungen entdeckt Jendrik Petersen oftmals, dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit eine Lücke klafft: „Auf den Internetseiten von Unternehmen ist beispielsweise zu lesen, dass die Mitarbeitenden das wichtigste Kapitel seien. Doch die Realität sieht leider manchmal anders aus.“

Mit ihren konkreten Erkenntnissen wollen die Forschenden um Petersen im nächsten Schritt die Führungskräfte hinsichtlich ihres weiteren Handelns sensibilisieren: „Die haben ja in den seltensten Fällen Betriebspädagogik studiert. Die brauchen dabei also professionelle Hilfe.“ So würden seine Masteranden für die entsprechenden Unternehmen Modelle entwickeln, beispielsweise Recruiting-Modelle.

Jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind anspruchsvoller

Und was sind insgesamt wichtige Erkenntnisse aus seinen Untersuchungen? Jendrik Petersen nennt ein Beispiel: Für einen Recruiting-Prozess müsse man wissen, „dass sich die Ansprache der jüngeren und der älteren Generation voneinander unterscheidet.“ Bei den Jüngeren spricht er von den Generation Y, gemeint sind junge Menschen, die zwischen den frühen 1980er bis zu den späten 1990er-Jahren geboren wurden. Und die, die etwa ab den 2000er-Jahren geboren wurden – Generation Z werden sie auch genannt. Menschen also, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten für die Arbeitswelt entscheidend sein werden. „Diese Jüngeren sind insgesamt anspruchsvoller, was ihren Arbeitgeber angeht.“ Mehr noch als die Generationen vor ihnen wollen sie vor allem einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. „Das müssen die KMUs berücksichtigen.“

Und was sich außerdem verändert hat: Die Jüngeren sind bereit, häufiger den Arbeitgeber zu wechseln, „wenn vielleicht irgendwo ein besseres Angebot lockt“. Das sei mittlerweile wie beim Fußball: „Der Verein wird ab und zu gewechselt.“ Hier stelle sich für die KMUs die Frage, wie man junge Menschen dafür begeistern kann zu bleiben. „Sie sind nun mal sehr gut ausgebildet, aber auch sehr anspruchsvoll.“ Das sei nicht mehr wie früher: „Man hat vielleicht mal bei Daimler oder Opel angefangen. Und blieb dann bis zur Rente.“ Diese Zeiten seien vorbei. Und Petersen ergänzt: „Den Führungskräften vor Ort fehlt dann oft die Toolbox, damit umzugehen.“

Mit neuen Modellen als Arbeitgeber attraktiver werden

Was sind seine Empfehlungen? KMUs müssen Ansätze finden, die den Arbeitsplatz für Mitarbeitende attraktiv machen. „Das fängt damit an, dass man flexible Arbeitszeiten ermöglicht.“ Auch das Anbieten von interessanten Projektarbeiten könnte ein Anreiz sein. 

Ein immer wichtiger werdender Punkt sei zudem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Also die Frage, wie lassen sich Elternschaft und Arbeit unter einen Hut bringen. „Auch hier steht natürlich das Thema Homeoffice ganz oben“ – und ob und wie es konkret realisiert werden kann: „Es reicht dabei nicht, wenn man neben der Kinderbetreuung mal eben noch eine Mail schreibt. Hier müssen andere Lösungen her.“ Immer wieder stelle Petersen fest, dass KMUs solchen Herausforderungen hilflos gegenüber stehen. „Das Ganze ist aber auch kein Ponyhof.“ Es gehe nicht nur darum, dass sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wohlfühlen. Bei all dem müssen auch die Kunden des Unternehmens mit eingebunden sein. „Dem Unternehmen muss es gut gehen. Es muss selbstverständlich Geld verdienen.“ Für ein KMU stelle sich die Frage, wie sich ein solcher „Spagat“ realisieren lässt.

Dialogische Führung und demografischer Wandel werden die Themen der Zukunft sein

Aber mal noch etwas weiter nach vorne geschaut. Was sind aus Sicht Petersens die Themen der Zukunft? Welchen Fragen werden er und die KMUs sich stellen müssen? „Das dialogische Führen, also das Führen auf Augenhöhe, wird immer wichtiger.“ Es gehe darum, dass jeder Einzelne unabhängig von seiner Rolle und Funktion als eigenständige Persönlichkeit geachtet wird. „Das sagt sich leicht, das muss aber auch mit Leben gefüllt sein. Das ist eine Herausforderung.“ Und außerdem: Die Mitarbeitenden einbinden sei ja schön und gut, „einige wollen das gar nicht. Einige wollen gesagt kriegen, was sie machen müssen.“ 

Und auch das Thema demografischer Wandel werde einen immer größer werdenden Stellenwert einnehmen: „Damit der Arbeitsmarkt weiter läuft, müssen beispielsweise Fachkräfte aus dem Ausland zu uns kommen.“ Petersen: „Dafür müssen wir als Land und als Wirtschaft aber auch interessant für Menschen aus anderen Kulturkreisen sein.“ Da stelle sich zum einen die Frage der Sprachbarriere. In einigen Unternehmen werde mittlerweile vor allem Englisch gesprochen. Das erleichtere die Situation. „Dann müssen die Menschen aber auch in das Unternehmen eingebunden werden. Stichwort Diversity-Management.“ Ein neuer Punkt also, dem er, sein Team und vor allem die KMUs sich werden stellen müssen. Der Arbeitsmarkt verändert sich. Nicht nur die Corona-Zeit hat das gezeigt.

Prof. Dr. Jendrik Petersen lehrt seit 2001 Betriebs- pädagogik am Campus Landau. Zudem hat er weitere Lehraufträge in Deutschland, Österreich und in der Schweiz übernommen. In den 1980er-Jahren studierte er im Rahmen seiner Ausbildung zum Offizier an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg (HSU/ UniBwHH) – und an der Erziehungswissenschaftlichen Hochschule Rheinland-Pfalz Erziehungswissenschaften mit den Fächern Erwachsenenbildung, Betriebspädagogik, Organisations- psychologie, Neuere Geschichte und Politikwissenschaften. Er habilitierte an der HSU im Fachbereich Erziehungs- wissenschaften mit dem Thema „Allgemeine Erziehungswissenschaften mit der besonderen Berücksichtigung der Berufs- und Betriebspädagogik“. Er betreut diverse Forschungsprojekte zu den Themenbereichen Ausbildungsabbrüche, Berufsorientierung der Generationen Y und Z – sowie zu Möglichkeiten der innovativen Aus- und Weiterbildung. Foto: Jendrik Petersen

Veröffentlichungen (eine Auswahl)

Petersen, Jendrik: Professionelle Organisationsgestaltung durch Dialogisches Management. In: Frey, A./ Jedrzejczyk, P./ Olesch, J./ Petersen, J. (Hsrg.): Dialog und Diversity. Berlin 2022

Moning-Petersen, E/ Petersen, J.: Optimierung von Führung durch Dialog und Mentoring. In: Frey, A./ Jedrzejczyk, P./ Olesch, J./ Petersen, J. (Hsrg.): Dialog und Diversity. Berlin 2022

Olesch, J-R./ Petersen, J.: Dialogisches Management im Kontext von Diversity Management in Unternehmen. In: Frey, A./ Jedrzejczyk, P./ Olesch, J./ Petersen, J. (Hsrg.): Dialog und Diversity. Berlin 2022

Weitere Veröffentlichungen siehe hier.

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