Mikroplastik: Welchen Einfluss die Folienlandschaft auf den Boden hat

Durch Plastikfolien kann in der Landwirtschaft die Ernte verfrüht oder hinausgezögert werden. Beim Einsammeln der Folien können Mikroplastikrückstände im Boden zurückbleiben. Ob diese Partikel schädlich für die Umwelt sind, dazu wird in Landau geforscht. Foto: Zacharias Steinmetz

Wenn Plastikfolien in der Landwirtschaft nach der Ernte eingeholt werden, können Mikroplastikrückstände im Boden zurückbleiben. Doch wie viel bleibt dort tatsächlich hängen? Und welche Auswirkungen könnten die Rückstände auf den Boden haben? Diesen Fragen geht Dr. Zacharias Steinmetz in seiner Forschung nach. Das Forschungsgebiet bringt einige Herausforderungen mit.

Ob Erdbeeren, Spargel oder Rhabarber: Mai und Juni sind oft Reife- und Erntezeitraum für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Viele Pflanzen sind in der Zeit mit Plastikfolien bedeckt. Andere werden mit ihnen unterlegt. Das hat das Interesse des Bodenchemikers Zacharias Steinmetz geweckt. „Gerade von der Autobahn zwischen Landau und Schifferstadt sieht man sie überall“, sagt er. In seiner Doktorarbeit, die er vor zwei Monaten abgeschlossen hat, ging er der Frage nach, ob durch die Foliennutzung Mikroplastik in den Boden eingetragen wird.

Doch wofür werden diese Folien überhaupt genutzt? Weltweit setzen Landwirte Plastikfolien hauptsächlich dafür ein, um die Temperatur und den Wasserhaushalt im Boden und für die Pflanzen besser managen zu können. „Man kann so zum Beispiel bei Erdbeeren oder Spargel die Ernte verfrühen, indem der Boden durch schwarze oder transparente Planen aufgeheizt wird und die Pflanze schneller wächst und reif ist. Auf der anderen Seite kann man den Reifeprozess aber auch verlängern, indem man weiße Folien nimmt, die das Sonnenlicht reflektieren und einen kühleren Boden schaffen“, erklärt Steinmetz. Die Pflanze entwickelt sich dann langsamer und es kann im August oder September noch Erdbeeren aus Deutschland geben.

Potenzielles Erosionsrisiko durch Mikroplastik

Die Bewirtschaftung mit Folien kann, so Steinmetz, zu Mikroplastikeinträgen im Boden führen. Etwa, wenn die Folien sich durch Wind lösen oder eine Kraft auf sie einwirkt, so dass kleine Partikel fragmentieren. Besonders anfällig seien sogenannte Lochfolien, die sich durch ihre Lochung schneller in größere Teile zerlegen. Auch bei schnell porös werdenden Thermoisolationsvliesen vermutet Steinmetz, dass schnell kleinere Plastikpartikel entstehen können.

Lochfolien sind besonders anfällig und zerfallen schneller in Einzelteile. Foto: Zacharias Steinmetz

Wie wirken sich diese Partikel aus? Sind sie schädlich für den Menschen und die Umwelt? Die negativen Effekte von Mikroplastik im Boden seien eine große Unbekannte, sagt Steinmetz. Das Wissen darüber setzen sich Wissenschaftler hauptsächlich aus Laborstudien zusammen, deren kontrollierten oder standardisierten Bedingungen in der Umwelt aber selten zu finden seien. Aus den Studien weiß Steinmetz jedoch: „Das Bodengefüge ändert sich mit dem Eintrag von Mikroplastik. Die Struktur hält sich weniger gut zusammen.“ Dadurch kann mehr Wasser durch den Boden strömen und weniger Nährstoffe können im Boden gehalten werden. Die Folge: Es entsteht ein potenzielles Erosionsrisiko und die Produktivität des Bodens verschlechtert sich, was wiederum das Pflanzenwachstum einschränken kann. „Im Moment sind die Effekte von Mikroplastik im Boden noch sehr eingeschränkt“, so Steinmetz. Allerdings: Klassisches Plastik wird im Boden nicht abgebaut. Daher kann es sich in Zukunft also immer mehr anreichern und die Effekte könnten stärker werden.

Masse wichtig für Messmethode

Um diesen genauer auf den Grund zu gehen, widmete sich der Umwelt- und Bodenchemiker der Forschung zu Mikroplastik im Boden. Zusammen mit Kollegen seiner Arbeitsgruppe veröffentlichte er zunächst eine Literaturrecherche, die zeigte, dass es noch kaum Studien zu dieser Thematik gibt. Aus der Recherche ergaben sich zwei Promotionsprojekte. Während sein Kollege Maximilian Meyer sich der generellen Veränderung der Bodenqualität unter Folien widmete, wollte Steinmetz wissen, inwiefern Plastikfolien eine Quelle für Mikroplastik in der Umgebung sein können.

Mikroplastik im Boden zu charakterisieren und zu quantifizieren sei gar nicht so einfach, so Steinmetz. 2016 begannen Wissenschaftler damit, optische und spektroskopische Methoden einzusetzen. Sie versuchten, einzelne Partikel von Bodenproben möglichst sauber voneinander zu trennen, sie auf eine Filterscheibe zu legen und zu scannen. „Im Ergebnis kann man dann jeweils sehen, ob es organisches Material, Sand oder Plastik ist.“ Diese aufwändige Methode gibt allerdings nur Aufschluss über die Anzahl an Partikeln. „Um die Gehalte von etwas in der Umwelt beschreiben zu können, benötigen wir auch Wissen über die Masse. Also: Wie viel Gramm von etwas ist in etwas enthalten?“, erklärt Steinmetz.

Masse durch Molekülwaage bestimmen

Mittels einer massensensitiven Methode ließ Steinmetz daher das Plastik, also Polymere bestehend aus langen Ketten von Molekülen, bei 500 bis 700 Grad Celsius unter Luftabschluss zersetzen, sodass diese sich in kleinere Stücke zerteilten. Ein Gerät, die Pyrolyse-Gaschromatographie/Massenspektrometrie (Pyrolyse-GC/MS), trennte die Moleküle auf und überführte sie in ein Massenspektrometer – eine Art Molekülwaage. Dort wurde jedes vorher zerkleinerte Teilchen gewogen.

Mit einem Pyrolyse-GC/MS können Moleküle getrennt und gewogen werden. Die Masse ist wichtig, um den Mikroplastikgehalt in der Umwelt zu bestimmen. Foto: Zacharias Steinmetz

Da das Gerät aber nur sehr kleine Probemengen – etwa eine Messerspitze Boden – aufnehmen kann und der Boden ein heterogenes Gemisch ist, in dem sich Mikroplastikpartikel ungleichmäßig verteilen, stand Steinmetz vor einer weiteren Herausforderung. „Um eine Aussage über den ganzen Acker treffen zu können, will man möglichst große Probemengen ziehen“, sagt er. Eine Messerspitze vom Boden sei nicht repräsentativ für das gesamte Feld.

In Europa weniger Mikroplastik als in China

Steinmetz machte sich zu Nutze, dass sich manche Polymere, darunter die von klassischen Tüten- und Verpackungsmaterialien, in bestimmten organischen Lösungsmitteln auflösen lassen. Ähnlich wie bei Gelatine, die man in Wasser gibt und erhitzt, um eine gallertartige Masse zu bekommen, fügte Steinmetz die Polymere dem Lösungsmittel Trichlorbenzol zu. Die flüssig gewordenen Polymere packte er in das Pyrolyse-GC/MS-Gerät, das die Flüssigkeit verdampfte, zurück im Gefäß blieben einzelne Polymere. „So konnte ich Mikroplastik im Boden quantifizieren“, sagt Steinmetz. Durch die Methode konnte er die Probenmengen vergrößern, ohne die Genauigkeit der Ergebnisse zu verschlechtern. Eine Schwäche hat die Methode allerdings, so Steinmetz: Partikel, die eine kleinere Gesamtfläche als zehn Mikrometer haben, sind nicht zu sehen und fallen durchs Raster.

Screening-Studie vergleicht Felder mit verschiedenen Folien

Zum Abschluss seines Promotionsprojekts machte Steinmetz eine Screening-Studie. Er beobachtete acht Felder mit verschiedenen Folienbedeckungen unter anderem in Mörlheim, Schifferstadt und Landau. Künftig will Steinmetz auch Folien-Felder mit Feldern vergleichen, auf denen keine Plastikabdeckungen verwendet werden. So will er feststellen, ob Mikroplastik auch durch andere Einflüsse wie Reifenabrieb oder durch Littering, also achtloses Wegwerfen von Plastik, entsteht. In Kürze steht die Veröffentlichung einer Studie an, in der Steinmetz drei Jahre Bewirtschaftung mit Folie mit drei Jahren Bewirtschaftung ohne Folie verglichen hat. „In den Proben der Folien-Felder haben wir signifikant mehr Mikroplastik gefunden, als in denen ohne. Die Gehalte waren aber weiterhin niedriger als zum Beispiel in China.“

Steinmetz betreibt Grundlagenforschung, Empfehlungen und Ideen zum Vermeiden von Mikroplastik in landwirtschaftlichen Böden hat er dennoch: „Die Landwirte sollten dickere Folien benutzen, da diese leichter intakt zurückzuholen sind.“ Ein EU-Gesetz, das besagt, dass Folien nicht dünner als 20 Mikrometer sein dürfen, hilft dem Boden nachweislich. „Wir haben bei unseren Proben viel weniger Mikroplastik gefunden als erwartet. In China findet man zum Beispiel wesentlich mehr, da die Landwirte dort sechs bis acht Mikrometer dicke Folien benutzen, die schneller kaputt gehen“, sagt er. Außerdem sind Folien leichter aus dem Boden rauszuziehen, wenn sie feucht, also bewässert, sind.“ Auch müsste sich die Recyclinginfrastruktur verbessern. Recyceltes Plastik koste aktuell zum Beispiel mehr als neues. Durch die Engpässe von fossilen Ressourcen, könnte das Plastikrecycling attraktiver werden.

Bioabbaubare Folien nicht ausreichend im Feld erforscht

Die Landwirtschaft könnte auch versuchen, mehr auf bioabbaubare Polymere zu setzen. Also Folien aus stärkebasierten oder polymilchsäurebasierten Materialien verwenden, die in der Umwelt abgebaut werden. Allerdings: Die meisten dieser Materialien zeigen im Labor zwar positive Resultate, werden im Feld unter anderer Temperatur und anderer Feuchtigkeit aber doch nicht so schnell abgebaut wie gedacht. Außerdem müsse bei solchen Materialien darauf geachtet werden, dass die Folien sich nicht zu schnell abbauen, da sonst der gewünschte landwirtschaftliche Effekt nicht eintritt.

Steinmetz führt noch die Idee einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) an: „Sie haben vorgeschlagen, eine Notabbaubarkeit von Folien einzuführen. Das bedeutet, das Material muss so konzipiert sein, dass die Folien sich, falls die Landwirte sie vergessen oder nicht zurückholen können, zumindest in ein paar Jahrzehnten abbauen und wir kein Langzeitproblem bekommen.“

Mikroplastik auch in Reifen und im Weinbau

Nach seiner Forschung mit Folien will Steinmetz den Blick auch auf andere Ursachen für Mikroplastik im Boden wenden, wie Reifenabrieb, Plastik im Weinbau oder sogenannte Superabsorber –  wasserlösliche Polymere, die man zum Beispiel in Windeln findet und die teilweise auch als Pflanzhilfe genutzt werden. Auf alle Fälle wird Steinmetz weiter an den Methoden zur Charakterisierung und Quantifizierung von Mikroplastik arbeiten. Eine weitere Forschungsfrage, die er gerne untersuchen würde, ist, wie Plastik im Boden altert und wie sich dadurch seine Eigenschaften ändern. Viele Fragen sind noch offen und das öffentliche Interesse an der Mikroplastikforschung ist aktuell sehr groß. Steinmetz sieht daher gute Chancen für die Finanzierung seiner künftigen Forschung.

Dr. Zacharias Steinmetz studierte in Landau Umwelt- wissenschaften und Ökotoxikologie. Seit 2016 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Umwelt- und Bodenchemie am iES – Institut für Umweltwissenschaften an der Universität Landau. 2022 promovierte Steinmetz zur Frage, inwieweit landwirtschaftliche Plastikfolien eine Quelle für Mikroplastik im Boden darstellen. Foto: Karin Hiller

Publikationen:

Are agricultural plastic covers a source of plastic debris in soil? A first screening study
Steinmetz, Zacharias, Löffler, Paul, Eichhöfer, Silvia, David, Jan, Muñoz, Katherine, and Schaumann, Gabriele E.
SOIL 8(1), 31–47, 2022, https://doi.org/10.5194/soil-8-31-2022

A simple method for the selective quantification of polyethylene, polypropylene, and polystyrene plastic debris in soil by pyrolysis-gas chromatography/mass spectrometry
Steinmetz, Zacharias, Kintzi, Aaron, Muñoz, Katherine, and Schaumann, Gabriele E.
Journal of Analytical and Applied Pyrolysis 147, 104803, 2020, https://doi.org/10.1016/j.jaap.2020.104803

Sample Preparation Techniques for the Analysis of Microplastics in Soil—A Review
Thomas, Daniela, Schütze, Berit, Heinze, Wiebke Mareile, and Steinmetz, Zacharias
Sustainability 12(21), 9074, 2020, https://doi.org/10.3390/su12219074

Plastic mulching in agriculture. Trading short-term agronomic benefits for long-term soil degradation?
Steinmetz, Zacharias, Wollmann, Claudia, Schaefer, Miriam, Buchmann, Christian, David, Jan, Tröger, Josephine, Muñoz, Katherine, Frör, Oliver, and Schaumann, Gabriele E.
Science of The Total Environment 550, 690–705, 2016, https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2016.01.153

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