Angst vor dem Autofahren

Angst davor, auf der Autobahn, über eine Brücke oder durch einen Tunnel zu fahren? Eine am Campus Landau ausgearbeitete Verhaltenstherapie kann helfen. Foto: Colourbox

Es gibt Menschen, die beim Autofahren Tunnel, Brücken oder Autobahnen meiden. Müssen sie dennoch eine entsprechende Strecke fahren – oder vielleicht nur daran denken – dann machen sich Schweiß auf der Stirn, Herzrasen oder Atemnot bemerkbar. Betroffene leiden unter einer sogenannten Autofahrangst, erklärt Dr. Carolin Fischer, Psychotherapeutin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Psychotherapeutischen Universitätsambulanz. Sie hat eine Verhaltenstherapie entwickelt, die diesen Menschen helfen kann.

Der Verkehrsclub ADAC schätzt, dass etwa ein Prozent der Autofahrerinnen und Autofahrer von einer Autofahrangst betroffen sind. „Meiner Erfahrung nach könnten es aber auch noch wesentlich mehr sein“, meint Carolin Fischer. Fachleute sprechen von einer der häufigsten spezifischen Phobien des situativen Typus. Gemeint sind damit krankhafte Ängste vor spezifischen Situationen: Zu den Phobien des situativen Typus gehören auch das Fliegen im Flugzeug oder die Angst vor engen Räumen.

Doch zurück zur Autofahrangst – was genau steckt dahinter? „Das kann sehr vielfältig sein“, führt die Psychotherapeutin Fischer aus. „Es gibt die Angst, selbst am Steuer zu sitzen. Oder auch die Angst, Beifahrer zu sein.“ Dabei habe übrigens nur ein Teil der Betroffenen komplett Angst vor dem Autofahren: „Meist betrifft die Angst nur bestimmte Fahrstrecken.“ Etwa Tunnel, Brücken, generell Autobahnen – „oder die Angst, bei Dunkelheit zu fahren.“ Carolin Fischer: „Leidet man unter einer solchen Autofahrangst, so können sich in den entsprechenden Situationen die typischen Anzeichen einer Panikattacke bemerkbar machen.“ Starkes Schwitzen gehöre dazu, ein Engegefühl in der Brust, Herzrasen, Atemnot, Hitzewallungen, Zittern oder Schwindelgefühle. Allein der bloße Gedanke ans Autofahren und die gefürchtete Situation kann bei dem einen oder anderen bereits Reaktionen hervorrufen. Die Folge: Bestimmte Routen oder das Fahren zu bestimmten Zeiten versuchen die Betroffenen zu meiden. „Das schränkt sie in ihrem Alltag natürlich stark ein. Ihre Mobilität ist herabgesetzt.“

„Das Interesse war enorm“

Als Wissenschaftlerin hat sich Carolin Fischer mit der Angst beschäftigt, selbst am Steuer zu sitzen. Dazu hat sie eine Verhaltenstherapie ausgearbeitet, die sie in der Psychotherapeutischen Universitätsambulanz anhand einer Studie überprüft hat. Eine erste Erkenntnis über das bislang wenig erforschte Gebiet war dabei: „Als wir Studienteilnehmende gesucht haben, haben wir gemerkt, wie sehr Autofahrangst die Leute umtreibt. Das Interesse war enorm. Wir hatten über 100 Anfragen.“ Teilgenommen an der Studie haben letztendlich 60 Autofahrangst-Probanden: Carolin Fischer: „In insgesamt 24 Sitzungen haben wir geschaut, ob und wie effektiv sie auf unsere Verhaltenstherapie ansprechen.“ 

Behandlungsstudie hatte Theorie- und Praxisteil

Die Behandlung begann in den ersten Sitzungen zunächst mit der Wissensvermittlung, erklärt die Psychotherapeutin die Details: „Wir haben mit den Teilnehmenden besprochen, wie es überhaupt zu einer Autofahrangst kommen kann.“ Ursachen seien laut Fischer etwa, dass man selbst einen Unfall erlebt hat, einen beobachtet hat. „Oder auch, dass man davon gehört oder gelesen hat.“ 

Einige der Betroffenen geben in Befragungen zudem an, schon immer eine ängstliche Autofahrerin oder ein ängstlicher Autofahrer gewesen zu sein. Und Carolin Fischer ergänzt: „Bei einem kleinen Teil gibt es aber auch schlichtweg keine Erklärung, warum sich eine entsprechende Angst entwickelt hat.“

In weiteren Sitzungen hat die Psychotherapeutin gemeinsam mit den Studienteilnehmenden herausgearbeitet, ob und wie ein Sicherheits- und Vermeidungsverhalten bereits aufgebaut wurde: Also, ob bestimmte Strecken vielleicht einfach gar nicht mehr gefahren werden. „Nach diesem theoretischen Teil stand in den nächsten Sitzungen die Konfrontation mit der Situation im Vordergrund.“ So wurden bestimmte Gegebenheiten durchaus schon mal in einem Fahrsimulator geübt. Carolin Fischer: „Für den praktischen Teil der Studie haben wir mit einer Fahrschule zusammengearbeitet und haben nach der Nutzung des Fahrsimulators im Fahrschulauto mit Fahrlehrer die ersten Expositionen* im Straßenverkehr absolviert. Dabei sitzt die Therapeutin oder der Therapeut auf der Rückbank und begleitet die Exposition therapeutisch.“ Die Sicherheit bleibt so gewährleistet und der Fahrlehrer gibt sein Expertenurteil hinsichtlich Fahrfähigkeit ab. Im letzten Schritt konfrontierten sich die Teilnehmenden mit ihren Ängsten im eigenen Auto. Wobei der Therapeut oder die Therapeutin als Beifahrer mitfährt. „Es ging darum, die Angst zu überwinden, indem man sich der angstauslösenden Situation stellt“, fasst Fischer zusammen.

Probanden waren zufrieden: „Man macht konkret etwas“

Das Ergebnis sei eindeutig gewesen, berichtet Carolin Fischer weiter: „Alle Probanden haben auf die Behandlung angesprochen. Alle haben ihre Autofahrangst signifikant reduzieren können.“ In abschließenden Fragebögen habe sich zudem eine hohe Zufriedenheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezeigt – attestiert wurde von ihnen beispielsweise: „Man macht konkret etwas. Es wird nicht nur geredet, sondern es gibt etwas Praktisches mit Therapeut und Fahrlehrer.“

Das Autofahrangst-Projekt von Carolin Fischer ist vorerst abgeschlossen. Darauf aufbauend könne – aus wissenschaftlicher Sicht – jetzt noch der von ihr ausgearbeitete und durchgeführte verhaltenstherapeutischer Ansatz mit einer sogenannten virtuellen Realitätsbehandlung verglichen werden. Carolin Fischer: „Probanden hätten hierbei eine virtuelle Brille auf. Würden sich so simuliert einer Autofahrangst-Situation stellen. Und wir würden überprüfen, ob das gegebenenfalls genauso effektiv ist. Vorerst haben wir das aber nicht in Planung.“ Ihr Forschungsschwerpunkt wird in naher Zukunft eher eine andere Angst sein – nämlich die Angst vor dem Erbrechen. Emetophobie wird diese auch genannt. „Menschen mit Emetophobie geraten in Angst und Panik, wenn sie sich selbst erbrechen oder sehen, wie jemand anderes erbricht. Hier sind wir aber erst am Anfang.“

Ein Vermeiden des Autofahrens verstärkt die Angst noch weiter

Aber noch einmal zurück zur Autofahrangst: Was kann man Menschen raten, die meinen, betroffen zu sein? „Die können sich gerne bei uns in der Psychotherapeutischen Universitätsambulanz melden. Aber auch bei jedem anderen Psychotherapeuten.“ Zunächst müsse der Frage nachgegangen werden, ob die Angst im spezifischen Fall behandlungsbedürftig ist. Carolin Fischer: „Manchmal basiert eine Unsicherheit einfach nur auf einer mangelnden Fahrpraxis. Die Betroffenen sollten in dem Fall noch einmal Stunden in einer Fahrschule nehmen.“

Und was kann man, ist man möglicherweise betroffen, generell tun? Carolin Fischer: „Beim Fahren kann es helfen, wenn jemand neben einem sitzt, den man kennt.“ Autofahren mit Begleitperson sozusagen. Und in einer konkreten Situation? „Erlebt man eine Panikattacke, dann sollte man nach Möglichkeit anhalten. Und sich selbst beruhigen und ruhig atmen.“ Aber, und darauf weist Carolin Fischer ausdrücklich hin, das Autofahren generell meiden sollte man nur, wenn die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt ist. „Autofahren meiden birgt immer die Gefahr, dass sich die Angst weiter verstärkt.“ Und genau das gilt es zu vermeiden.

* Unter einer Exposition versteht man eine fachgerechte Behandlungsmethode in der Verhaltenstherapie.

Dr. Carolin Fischer ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Psycho- therapeutischen Universitätsambulanz Landau. Sie schloss ihren Bachelor und ihren Master in Psychologie an der Universität Koblenz-Landau ab und promovierte anschließend, ebenfalls in Landau, zum Thema Diagnostik und Behandlung der Autofahrangst. Parallel dazu hat sie eine Ausbildung zur Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie) in Landau absolviert. Sie ist derzeit tätig als ambulante Psychotherapeutin und betreut in der psychotherapeutischen Universitätsambulanz den Weiterbildungsstudiengang Psychotherapie. Im Rahmen dessen übernimmt sie Lehrveranstaltungen im Masterstudiengang Psychologie sowie im Weiterbildungsstudiengang. Foto: WiPP

Wissenschaftliche Veröffentlichungen

Ein Überblicksartikel zum Thema Autofahrangst auf Englisch:Fischer, C., Heider, J., Schröder, A., & Taylor, J. E. (2020). “Help! I’m afraid of driving!” review of driving fear and its treatment. Cognitive Therapy and Research44(2), 420-444.

Ein Überblicksartikel zum Behandlungsvorgehen auf Deutsch:Fischer, C., Schröder, A., & Heider, J. (2021). Kognitive Verhaltenstherapie bei Autofahrangst. Psychotherapeut66(2), 132-139.

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